Kapitel 1 der Pflegetipps:
Was bedeutet "palliativ" eigentlich?

16.10.22 - "DIE PFLEGETIPPS – Palliative Care": Über dieses Buch mit seinen 45 Kapiteln hört die "Deutsche PallliativStiftung" mit Sitz in Fulda immer wieder: "Wenn ich das vorher gewusst hätte, wäre uns so viel erspart geblieben!" Das soll sich ändern. Deshalb wurden schon rund eine Million Exemplare verteilt. Und deshalb werden als Kooperation von OSTHESSEN NEWS und "Deutsche PalliativStiftung" die 45 Kapitel einzeln multimedial aufbereitet:  45 Kapitel zu 45 wichtigen Themen in 45 Wochen. Immer sonntags auf OSTHESSEN NEWS.  Im Kapitel 1 wird der sperrige Begriff "palliativ" erklärt.

#stayorange

Dr. Thomas Sitte (rechts) und O|N-Redakteur Bertram Lenz bei Aufnahme des Podcasts. ...Foto: O|N - Archiv / Laura Struppe

Hören Sie es hier als Podcast. Vorgestellt von O|N-Redakteur Bertram Lenz und vorgetragen vom Autor Thomas Sitte:

Sehen und hören Sie zudem jeden Sonntag ein weiteres Kapitel im Zwiegespräch von Helmut Sämann mit dem Autor Dr. Thomas Sitte auf dem You-Tube-Kanal "Frag den Sitte".

 

Die deutsche Version und 21 verschiedene Übersetzungen können als PDF-Datei unter https://www.palliativstiftung.de/de/shop/gedrucktes/die-pflegetipps-palliative-care kostenfrei heruntergeladen werden. 

Gedruckt kann das Büchlein bestellt werden unter https://www.palliativstiftung.com/de/shop/gedrucktes

Kapitel 1 "Was ist palliativ?"

Die Pflegetipps

In dieser Serie werden wir Vieles ansprechen. Was ist Palliativtherapie eigentlich? Es ist die Betreuung von Menschen mit einer weit fortgeschrittenen Erkrankung und begrenzter Lebenserwartung. Palliativtherapie lindert die Symptome und wir respektieren dabei, dass die Krankheit nicht mehr heilbar ist. Sie berücksichtigt den Menschen als Ganzes zusammen mit seinem Umfeld. "Palliative Care" oder Palliativversorgung meint immer eine ganzheitliche Behandlung. Es ist nie nur der auf die eigentliche Therapie ausgerichtete Teil, sondern sehr umfassend. Neben Begleitung, Pflege, ärztlicher Betreuung, tragen in gleichem Maße viele andere Berufsgruppen zur angemessenen Therapie bei. Dazu gehören natürlich eine angemessene Schmerztherapie, Ernährung und verträgliche Medikamente. Die Minderung von Atemnot, Übelkeit und Erbrechen ist wichtig. Aber auch die seelsorgerische und emotionale Begleitung, psychosoziale Betreuung, Trauerarbeit, Supervision und vieles mehr. 

Lindernde Maßnahmen sind die ältesten und waren über lange Zeit auch die einzig möglichen Therapien. Diese gerieten aber durch die großen technischen und medizinischen Fortschritte im letzten Jahrhundert in den Hintergrund. Die Hospizbewegung in den späten 1960er Jahren hat die Aufmerksamkeit auf die Notwendigkeit eines besonderen Umgangs mit unheilbar Kranken und Sterbenden gerichtet. Dies hat dazu beigetragen, dass Menschen neben medizinischer Behandlung wieder eine Palliation erhalten. Neben der medizinischen Versorgung möchten wir Sie in allen wichtigen Bereichen unterstützen und Sie so in einer schwierigen Situation auffangen. Wir haben erlebt, dass Menschen mit Hilfe der Palliativversorgung etwas ganz Besonderes aus der letzten Lebensphase machen – diese bewusst und würdevoll gestalten können.

Palliative Care bedeutet, die Aufmerksamkeit auf die Qualität der noch verbleibenden Lebenszeit zu legen. Es kann noch so viel getan werden, auch wenn gegen ein Fortschreiten der Grunderkrankung nichts mehr zu machen ist. Die Zielsetzung wird anders. Es ist nicht mehr der Kampf gegen die Krankheit, sondern das bestmögliche Leben mit ihr. Dieser veränderte Blickwinkel akzeptiert, dass das Sterben absehbar und unabwendbar ist. Er hilft, dass die verbleibende Lebenszeit an überraschender Tiefe und Qualität gewinnt.

Zentral ist nach wie vor die medizinisch-pflegerische Behandlung von Schmerzen und Beschwerden, wird aber durch eine sorgende, individuelle und aufmerksame Begleitung der Betroffenen und (!) ihrer Nächsten ergänzt.

Grundsätzlich soll der Patient seine ihm verbleibende Zeit in einer Umgebung verbringen dürfen, die auf seine individuellen Bedürfnisse eingehen kann.

 Dafür ist eine multiprofessionelle und interdisziplinäre Zusammenarbeit notwendig. Es geht in Palliative Care weder darum, "nichts mehr zu tun", noch einfach um Sterbebegleitung. Wichtig ist hier ein sorgfältiges Abwägen, was in der Situation angemessen, notwendig und sinnvoll ist. Es erfordert Erfahrung und viel Einfühlungsvermögen um drohende Verschlechterungen und die damit verbundenen Ängste gut zu begleiten oder auch ganz zu vermeiden. Dazu gehört auch, diese offen zu benennen. Werden diese Krisen vermieden, können wir fast alle unerwünschten Krankenhauseinweisungen ebenso vermeiden! 

Neben dem Gefühl der Hilflosigkeit und Überforderung setzt sich Palliative Care mit den Betroffenen genau auseinander. Die Schwere der Situation wird nicht verdrängt, wir stellen uns ihr, bleiben dabei und helfen die Krise zu bewältigen.

Eine gute Palliativversorgung ruht auf drei Säulen, einer angemessenen Haltung, langjähriger Erfahrung und exzellenter Fachkenntnis.

 Der Mensch steht im Mittelpunkt aller Bemühungen. Dazu muss man oft anders als gewohnt miteinander umgehen. Bleiben, Aushalten und Mittragen wird nötig, wo andere lieber wegschauen. Palliative Care nimmt nicht alles Leiden, das würde der Komplexität von Trauer nicht gerecht werden. Sie trägt aber dazu bei, die Qualität des Lebens bis zum Tod – und darüber hinaus – zu verbessern.Oft wird das Leben dann reicher. Dies ist vor allem für jene wichtig, die dableiben und weiterleben. (pm) +++

Quelle: OSTHESSEN NEWS
Foto: Laura Struppe

Deutsche PalliativStiftung
Am Bahnhof 2

36037 Fulda