Offener Brief - Tötung von Kindern in Holland bald ab dem 1. Geburtstag

Fulda. Bonn. Die Regeln für die Tötung auf Verlangen werden in den Niederlanden im neuen Jahr auf schwerkranke Kleinkinder erweitert, die schwer leiden. Dies ist für die Deutsche PalliativStiftung eine inakzeptable Entscheidung gegen das Leben. Leider war es als eine Folgeentscheidung zu befürchten, nachdem bereits Regeln zur Tötung von Kindern bis zu 1 und ab 12 Jahren geschaffen wurden.

In den Benelux-Ländern ist der Umgang mit Lebensverkürzung anders als in Deutschland. Dort wird kaum Beihilfe zur Selbsttötung in Anspruch genommen, sondern weit überwiegend durch die Tötung auf Verlangen ein Leben durch andere beendet.

Bislang dürfen schwerkranke und leidende Kinder in den Niederlanden nur auf ihren eigenen Wunsch hin getötet werden. Hierbei gilt eine Altersgrenze von mindestens zwölf Jahren. Diese altersbezogen Einschränkung soll nun gestrichen werden mit der Tötungsoption für Kinder ab dem ersten Geburtstag und auf den ausdrücklichen Wunsch beider Elternteile.

Einer der bekanntesten Vorkämpfer für die "aktive Lebensbeendigung“ Eduard Verhagen, ein Pädiater aus Groningen, konstatiert im ARD-Interview dazu, es müssten vorher sämtliche Möglichkeiten der Palliativmedizin ausgeschöpft werden. Erst dann würden die beteiligten Ärzte überhaupt in Erwägung ziehen, das tödliche Medikament zu verabreichen.

Aber was sind „sämtliche Möglichkeiten der Palliativmedizin“?

Dr. Thomas Sitte, Palliativmediziner für Kinder und Erwachsene und Vorstandsvorsitzender der Deutschen PalliativStiftung, hat selbst von Eltern seiner kleinen Patienten solche verzweifelten Bitten gehört: „Die Möglichkeiten hospizlich-palliativer Versorgung werden meist sehr spät und wenn dann nur unzureichend ausgeschöpft. Es war immer als Lösung möglich, eine künstliche Lebenserhaltung nicht fortzuführen und vorhandenes Leiden palliativ zu lindern."

"Eine Tötung dieser Kinder war niemals notwendig." Das sieht auch der Leiter des Kinderpalliativzentrums Dattelns, Prof. Dr. Boris Zernikow, so, der sich im Stiftungsrat engagiert. „Gerade um klarzumachen, dass jedes Leben lebenswert ist, haben wir im Jahre 2023 unseren Wertkompass im Team erarbeitet. Ganz zu Beginn heißt es da: ‚Wir respektieren das Ende des Lebens. Wenn der Zeitpunkt gekommen ist, lassen wir das Sterben zu. Suizidassistenz oder Töten von Menschen lehnen wir ab.‘ Und so sehen das die Mitarbeiter:innen im Kinderpalliativzentrum. Auch schwerstkranke und behinderte Kinder haben ein Recht auf Leben."

Es ist dramatisch, wie wenig im medizinischen Alltag selbst bei Experten bekannt ist, was an Leidenslinderung geboten und an Lebensverlängerung verboten ist; hier sei sehr viel Aufklärungsbedarf notwendig, betont die Deutsche PalliativStiftung. Sie fordert deshalb von den Politikern wie auch den Medien eine sachlich korrekte und effiziente Aufklärung rund um die Themen des Lebensende; gerade auch zu den Möglichkeiten der Patientenverfügung, Vertreterverfügung, Vorsorgevollmacht und besonders Recht auf Leidenslinderung, die immer wieder für Unsicherheiten sorgen.

„Extremste Ausnahmen sind zwar denkbar, für diese können aber keine Regeln geschaffen werden. Dazu kommt, dass wir hier sehen, wie jeder Versuch von Regeln stets zu einer immer stärkeren Aufweichung der Leitplanken führt!“ so Vorstandsvorsitzender Dr. Sitte weiter.

Anders als in Deutschland gibt es in den Niederlanden kaum politischen Widerstand. Der Ethiker Prof. Theo Boer aus Groningen befürchtet: "Aktive Sterbehilfe gibt es nur auf ausdrückliche Bitte des Patienten. Da waren wir uns jahrzehntelang einig. Und jetzt plötzlich durchbrechen wir diesen Konsens und sagen: Gut, man darf auch Patienten töten, die nicht selber darum bitten können." Und weiter "Wenn man den Weg eröffnet, zur Tötung von Patienten, die nicht selber darum bitten können, sondern es sind andere, dann habe ich Angst, dass wir schließlich dann doch in die Richtung von 1941/42 kommen. Nämlich wo andere Leute entscheiden, ob ein Leben lebenswürdig ist."

Über die Deutsche PalliativStiftung

Die Deutsche PalliativStiftung engagiert sich seit 2010 dafür, dass jeder Mensch die Möglichkeit hat, an einem vertrauten Ort, inmitten vertrauter Menschen, ohne körperliche Beschwerden und unter ganzheitlicher Betreuung sein Leben bis zum Ende leben zu können.

Unterstützt wird eine Medizin mit Maß und Menschlichkeit, die jeder Mensch selbstbestimmt an seinem Lebensende in Anspruch nehmen kann. Jeder sollte darüber informiert sein, welche Optionen und Möglichkeiten der Behandlung und gegebenenfalls auch der Lebensverkürzung es am Lebensende gibt – dabei hilft die Deutsche PalliativStiftung.

Nur dann ist jeder Mensch auch frei in der Entscheidung, wie menschlich sein Leben zu Ende gehen soll.

Über den Wertekompass des Kinderpalliativzentrums an der Vestischen Kinder- und Jugendklinik Datteln – Universität Witten/Herdecke

Das Team des Kinderpalliativzentrums hat sich zusammen auf den Weg gemacht, seine Haltungen zum Leben, zur Arbeit und den Kolleginnen zusammen zu tragen. So ist ein Wertekompass entstanden, der folgende 12 Themen umfasst: Lebenswertes Leben; Familie; Liebe; Spiritualität; Team; Wertschätzung; Emotionen; Lebensqualität; Bildung; Ehrenamt; Solidarität; Versorgung über den Tod hinaus. Weitere Informationen zum Wertekompass inklusive Videos der Teammitglieder finden sich unter:

www.kinderpalliativzentrum.de.

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36037 Fulda